Wahl ohne Alternative - Dresdner Verein fordert Freiheit der Musiker ein

"Freche Aktionen in Dresden zur Wiederwahl von Präsident Lukaschenko"

Auftrittsverbote, Zensur, staatlich verordnetes Kulturprogramm, Verfolgung durch den KGB: Musiker in Belarus können selbst im 21. Jahrhundert nicht ihre eigenen Wege gehen. In der letzten Diktatur Europas sind die Zustände schlimm, schlimmer gar, als es vor 1989 in der DDR vorstellbar gewesen wäre. Besserung ist nicht in Sicht.

Am 19. März wird in Belarus ein neuer Präsident gewählt, doch schon jetzt ist sicher: der Neue wird der Alte sein. Aleksander Lukaschenko regiert das Land seit zwölf Jahren und schottet Belarus vom Westen ab. Das trifft nicht nur für Politik und Wirtschaft zu, sondern auch für die Kultur und damit auf die Rock- und Popmusik. Alternative oder gar oppositionelle Meinungen werden auch in künstlerischer Form nicht geduldet, Konzerte westlicher Bands beargwöhnt oder ganz unterbunden.

Der in Dresden ansässige Verein Kultur Aktiv hat Fälle von Auftrittsverboten, Verbannung von Radiosendern und andere Maßnahmen in den letzten zwei Jahren dokumentiert und veröffentlicht diese nun auf einer eigens zu diesem Zweck geschaffenen Internetseite ( http://belarus.kulturaktiv.org). In einem Aufruf fordert der Verein die Einhaltung von Menschenrechten wie dem Recht auf freie Meinungsäußerung sowie grundlegender Bürgerrechte wie des Rechts auf Freiheit der Kunst und des Rechts auf Teilhabe am kulturellen Leben.

Um den von staatlichen Repressionen betroffenen Musikern unter die Arme zu greifen, hat Kultur Aktiv gleichzeitig das Aktionsprogramm "S.O.S. - Bella Bela" ins Leben gerufen. "Wir setzen dabei vor allem auf symbolische Maßnahmen", erläutert Projektleiter Mirko Sennewald (31). Reale Hilfe ist kaum möglich, so dass von den Kultur Aktivisten die Zustände in der letzten Diktatur Europas mit Witz und Ironie aufs Korn genommen würden. "Nächsten Mittwoch eröffnen wir unser Wahlwettbüro", schmunzelt Sennewald, "jeder kann wetten, wer die Wahl gewinnen wird, wir weisen aber zusätzlich mit landestypischen Plakaten auf den Kandidaten hin, damit nichts schief geht". Die Quote ist zwar nicht berauschend – für jeden eingesetzten Euro gibt es nur einen Euro zurück, dafür kann der Wetteinsatz mit absoluter Sicherheit auch nicht verloren gehen.

Am Wahlabend, dem 19. März, zeigt Kultur Aktiv ab 17 Uhr den Film "Ne Tarmazi" (NL 2001, R.: Gerhard Stoel) über die oppositionelle weißrussische Jugend. Anschließend legt der Weißrussland-erprobte DJ Cyberpunk zur "Feier" der Wiederwahl Lukaschenkos neben Partyhits auch einige Stücke der verfolgten Bands auf. "Wir wollen mit fröhlicher Musik den eigentlich gar nicht feierlichen Anlass konterkarieren. Mit ähnlichem Galgenhumor begegnen auch viele Weißrussen der Wahl", berichtet Sennewald unter Hinweis auf Aktionen der weißrussischen Jugendbewegung Zitrone. Die Aktivisten verteilten in der weißrussischen Provinzhauptstadt Gomel en masse aufgekaufte Portraits von Lukaschenko mit dem Kommentar: "Das sind heilbringende Bilder, voller Worte des Präsidenten selbst, und sie tragen dazu bei, genau so klug und schön zu werden wie er". (Quelle: www.belarusnews.de/politik1423-.html)

Europaweit arbeitet Kultur Aktiv in dem Projekt "S.O.S. - Bella Bela" mit über zehn Partnern in fünf Staaten zusammen. "Derzeit planen wir mit unseren Partnern in Prag eine weitere Aktion im Juni, an der auch der tschechische Musiker und Unterzeichner der Charta 77 Mikulas Chadima teilnehmen wird", erläutert Sennewald.

Bislang konnte Kultur Aktiv bereits zwei der verfolgten Bands in Dresden begrüßen, zum Konzert der Gruppe N.R.M. erschienen neben 250 begeisterten Gästen auch drei Mitarbeiter des KGB. Im November 2005 gab die Dresdner Industrial-Rock-Band "The Ancient Gallery" in Minsk ein nicht genehmigtes Gastspiel. Mit dabei war DJ Cyberpunk: "Es hat mich schon beeindruckt, dass dort ein Veranstalter einer ganz normalen Freitagsdisko aufgrunddessen einfach so verhaftet werden kann". Ein ausführlicher Bericht von der abenteuerlichen Reise findet sich im Szenemagazin down.under (und auf: www.theancientgallery.com). "Im weiteren Verlauf unseres Aktionsprogramms wollen wir erneut den mit Auftrittsverboten belegten Bands in Deutschland eine Bühne bieten", ergänzt Sennewald. So sei im Juni eine "Weiße Woche" in Dresden geplant, bei der neben weißrussischer Photographie, Literatur und Musik auch die Politik eine große Rolle spiele. Aktive Unterstützung des Projektes erhält Kultur Aktiv bereits vom Deutschen Rock & Pop Musikerverband (DRMV), insbesondere bei der Suche nach einem prominenten Schirmherrn für "S.O.S. - Bella Bela".

Termine:

Eröffnung Wahlwettbüro
15. März, 14 Uhr, BürgerRaum "Art der Kultur", Bischofsweg 16

Wahlparty mit Film "Ne Tarmazi" und DJ Cyberpunk
19. März, ab 17 Uhr, Art der Kultur, Bischofsweg 16


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