Schrei nach Freiheit – Rockmusik in BelarusBelarussischsprachige Rockmusik ist ein relativ junges Phänomen. Bis Ende der Achtziger war sie nahezu nicht existent. Anders als in Russland, wo sich bereits zu Zeiten der Sowjetunion eine breite Rockbewegung etabliert hatte - mit Bands wie Aquarium, DDT oder Maschina Vremeni.Erst im Zuge der belarussischen National- und Unabhängigkeitsbewegung seit dem GAU von Tschernobyl 1986 konnte das Belarussische als Kultursprache seine Attraktivität massiv steigern. Der Glaube an das Russische als dominierende Über-Kultur hatte Risse bekommen. Bis dato war das Belarussische als minderwertiger Bauerndialekt verpönt, der wie die belarussische Kultur höchstens als museales Folkorestück Platz in der sowjetischen Gesellschaft hatte. Diese Entwicklungen kamen auch der Rockmusik zu Gute. In der Euphorie der nationalen Wiedergeburt erlebten Bands wie Krama, Ulis oder Mroja, die heute als Legenden der belarussischen Rockmusik gelten, einen ersten großen Erfolg. Sie legten das Fundament, auf dem sich nach Aleksandr Lukaschenkos Wahl zum Präsidenten im April 1994 eine selbstbewusste Underground-Bewegung entwickelte, die sich ein freies, demokratisches und europäisches Belarus auf die Fahnen geschrieben hat und damit als Orientierungshilfe für die Jugend fungierte. Diese Szene widersetzt sich seitdem trotz heftiger neo-sowjetischer Repressionen subtil und kreativ der "belarussischen Ordnung und Stabilität" – mit großem Erfolg. Längst ist eine neue Generation an Musikern entstanden, sind neue, jüngere Bands im Rock, Pop, HipHop oder Hardcore gegründet worden, die es sicher auf einer künftigen CD zu würdigen gilt. Dennoch, nach über zehn Jahren, wird die Hoffnung schwer, die Zweifel größer, die Luft dünner, gerade in den letzten Nischen der Freiheit. Viele der besten Bands, der belarussischen Rock-Pioniere, unterliegen heute einem inoffiziellen Verbot durch das Regime Lukaschenko. Damit wird ihnen die wirtschaftliche Existenz ihrer wertvollen Arbeit entzogen. Sie sollen buchstäblich ausgehungert und vielleicht zur Flucht aus ihrem Land gezwungen werden. Diese CD zeigt die Bands und die Musik, die Belarus jetzt schon verändert hat. Viele der Songs wie "Majo pakalenie" oder "Sluckaja brama" sind heute Hymnen in Belarus. Es sind Songs, die bedeutend und bedeutsam sind. Niemand weiß, was in naher Zukunft passiert. Niemand weiß, wohin Belarus steuert. Dass es solche Bands überhaupt gibt, ist ein positives Zeichen. Sie sind die Hoffnung auf ein anderes Belarus. Bands wie N.R.M., Ljapis Trubeckoj, Drum Ekstacy oder Ulis sind es, die heute schon das Belarus von morgen repräsentieren. Dieses Belarus wird ein offenes Belarus sein. Das kann man hören – auf dieser CD! Es ist die Musik der Freiheit. Ingo Petz |
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